Corona-Krisenstab: Opposition drängt auf Veröffentlichung von Sitzungsprotokollen | Brandaktuell - Nachrichten aus allen Bereichen

Corona-Krisenstab: Opposition drängt auf Veröffentlichung von Sitzungsprotokollen

0 322

Wien (PK) – Abseits des jährlichen Ustascha-Treffens in Bleiburg befasste sich der Innenausschuss des Nationalrats heute auch mit einer Reihe weiterer Anträge. Die Anliegen der Opposition reichten dabei von Maßnahmen gegen häusliche Gewalt über die Gewährung von Doppelstaatsbürgerschaften für ÖsterreicherInnen, die zum Teil in Großbritannien leben, bis hin zur Veröffentlichung der Sitzungsprotokolle des im Innenministerium eingerichteten COVID-19-Krisenstabs. Durchsetzen konnten sich SPÖ, FPÖ und NEOS mit keiner ihrer Forderungen, sämtliche Anträge wurden vertagt.

Basis für die Diskussion über eine Veröffentlichung der Sitzungsprotokolle des Corona-Krisenstabs des Innenministeriums bildete ein Entschließungsantrag der NEOS (556/A(E)). Es wäre wichtig zu wissen, wer wann welche Entscheidungen auf welcher Grundlage getroffen habe, um die Entscheidungsfindung nachvollziehen zu können, meinte dazu Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS). Das würde auch die Akzeptanz der Maßnahmen sowie das Vertrauen der BürgerInnen erhöhen.

Innenminister Karl Nehammer stellte allerdings gleich eingangs der Debatte klar, dass es keine verifizierten Sitzungsprotokolle des Krisenstabs gebe. Schließlich würden im Rahmen des staatlichen Krisen- und Katastrophenmanagements keine Entscheidungen getroffen. Vielmehr gehe es um eine Koordinierung von Maßnahmen auf Basis regelmäßiger Lagebriefings. Die Entscheidungen selbst würden den jeweiligen Organisationen bzw. den Bundesländern obliegen. In diesem Sinn existierten vielleicht Mitschriften von einzelnen TeilnehmerInnen, aber keine abgestimmten Protokolle, betonte Nehammer. Der Innenminister sagte aber zu, im Zuge der Evaluierung der Krisenbewältigung auch zu prüfen, inwieweit es zweckmäßig wäre, die Lagebriefings zur Verfügung zu stellen.

Irritiert über die Ausführungen Nehammers äußerte sich die Opposition. „Ich bin ehrlich gesagt fassungslos“, meinte etwa NEOS-Abgeordneter Hoyos-Trauttmansdorff und wertete es als fahrlässig und gefährlich, wenn nachträglich nicht mehr nachvollziehbar sei, wer wann warum welche Entscheidungen gefällt habe. Es zeige sich einmal mehr, dass die Regierung bei der Krisenbewältigung offenbar „im Blindflug“ unterwegs sei.

Seitens der FPÖ zog Dagmar Belakowitsch die Ausführungen des Ministers in Zweifel. Sie könne einfach nicht glauben, dass es keine Sitzungsprotokolle des Krisenstabs gebe, sagte sie. Zumindest die schriftlichen Aufzeichnungen der MitarbeiterInnen des Innenressorts müssten doch veraktet werden. Überdies wäre der NEOS-Antrag ihrer Meinung nach eigentlich abzulehnen und nicht zu vertagen, sollte es tatsächlich keine Protokolle geben, argumentierte sie.

Es sei wichtig, aus Fehlern, die im Zuge der Krisenbewältigung gemacht wurden, zu lernen, hob SPÖ-Abgeordneter Philip Kucher hervor und wies in diesem Zusammenhang etwa auf das „Ping-Pong“ zwischen den Tiroler Behörden und Wien hin. Dazu brauche es aber Informationen über das Krisenmanagement. Wenn solche nicht vorliegen, könnte es dazu kommen, dass Fehler wiederholt werden. Es gehe um Menschenleben, warnte Kucher.

Dass der NEOS-Antrag letztlich vertagt wurde, begründete Karl Ofenauer (ÖVP) damit, dass genau geprüft werden solle, welche Informationen das Parlament benötige und wo es Geheimhaltungsinteressen zu wahren gelte. Das Krisenmanagement habe bislang jedenfalls gut funktioniert, sagte sein Fraktionskollege Manfred Hofinger, die Entscheidungen würden von den einzelnen Organisationen getroffen. Ausschussvorsitzender Karl Mahrer (ÖVP) wies auf die geplante Evaluierung hin.

Nehammer kündigt Evaluierung der Gewaltschutz-Maßnahmen an

Zur Diskussion standen ferner zwei Antrage der SPÖ zum Thema Gewaltschutz. Gefordert wird die Verbesserung und das Vorantreiben der Erhebung von Verwaltungsdaten in Hinblick auf häusliche Gewalt und Gewalt gegen Frauen (285/A(E)) sowie der Ausbau der opferschutzorientierten Täterarbeit (284/A(E)). Die SPÖ will damit den Empfehlungen des GREVIO-Schattenberichts nachkommen, der Verbesserungsbedarf in diesen Bereichen aufzeigt. Der Mangel an der Datenerhebung zu geschlechtsspezifischer Gewalt in Österreich stelle ein Hindernis für die Beurteilung und Weiterentwicklung politischer Maßnahmen dar, untermauerte Antragstellerin Selma Yildirim ihre Initiative. Sie sprach sich außerdem für mehr finanzielle Unterstützung für die entsprechenden Einrichtungen aus. SPÖ-Fraktionskollegin Sabine Schatz pflichtete ihr bei und meinte, es sei dringend nötig, die Anträge in die Tat umzusetzen.

Dass Gewaltschutz der Bundesregierung ein wichtiges Anliegen sei, hob Innenminister Karl Nehammer hervor. Auch in der COVID-19-Zeit werde darauf besonderes Augenmerk gelegt. Angesichts des leichten Anstiegs der Anzeigenzahl bei häuslicher Gewalt anfangs der Pandemie sei eine Informationskampagne mit dem Ziel gestartet worden, den Opfern Mut zu machen, sagte er. Um sich mit den Ergebnissen der Corona-Zeit genauer auseinanderzusetzen hat der Innenminister eine Studie beauftragt, wie er den Ausschussmitgliedern bekannt gab. Daraus sollen Schlüsse für mögliche weitere Präventionsmaßnahmen gezogen werden.

Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne) bezeichnete den SPÖ-Vorstoß zur Datenerhebung als „Stückwerk“. Eher sei ihres Erachtens ein Gesamtkonzept von Nöten, das als nationaler Aktionsplan vorgelegt werden soll. Sie betonte, bezüglich der Evaluierung der Maßnahmen an einem All-Parteien-Antrag arbeiten zu wollen. Karl Mahrer (ÖVP) kündigte an, auf alle Fraktionen zuzukommen, um gemeinsam zu erarbeiten, welche Fragestellungen in die Studie Eingang finden sollen. Dass die Evaluierung für die Ableitung weiterer Schritte wichtig ist, betonte auch ÖVP-Mandatarin Johanna Jachs. Einige im GREVIO-Schattenbericht vorgeschlagene Maßnahmen würden sich bereits in Umsetzung befinden, sagte sie. Douglas Hoyos-Trauttmannsdorff (NEOS) und Dagmar Belakowitsch (FPÖ) brachten die inhaltliche Zustimmung ihrer Fraktionen zum Ausdruck. Beide SPÖ-Anträge wurden mit den Stimmen von ÖVP und Grünen vertagt.

Unabhängige Asylrechtsberatung

Für die Ausgliederung der Asylrechtsberatung aus der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) treten die NEOS in einem Entschließungsantrag ein (121/A(E)), der heute ebenso vertagt wurde. Stephanie Krisper ortet eine problematische Verflochtenheit zwischen dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) und der Agentur, die zu 100% im Eigentum des Bundes steht und ihre Tätigkeit im Bereich der Rechtsberatung ab 1. Jänner 2021 aufnehmen soll. Stephanie Krisper argumentierte mit nicht ausreichender systemischer Ausgestaltung und forderte eine unabhängige und qualitätsvolle Rechtsberatung im Verfahren vor dem BFA bzw. vor dem Bundesverwaltungsgericht, um sicherzustellen, dass europa- und menschenrechtlichen Vorgaben für ein faires Verfahren entsprochen wird. Unterstützung für den Vorschlag kam von der SPÖ, Abgeordnete Nurten Yilmaz betonte, grundsätzlich gegen die Verstaatlichung der Asylrechtsberatung gestimmt zu haben. FPÖ-Mandatar Hannes Amesbauer hingegen meinte, die BBU wurde mit gutem Grund als unabhängige Beratungsstelle frei von NGOs und „dubiosen Vereinen“ eingeführt. Da laut Friedrich Ofenauer (ÖVP) die Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit der BBU ausdrücklich gesetzlich festgeschrieben ist, zeigte er sich über den Antrag verwundert. Georg Bürstmayr (Grüne) berichtete von Verhandlungen zwischen Justiz- und Innenministerium, wonach angedacht sei, die bisher mit den Aufgaben betrauten NGO-Angestellten in die BBU zu übernehmen.

Aberkennung der Staatsbürgerschaft bei IS-RückkehrerInnen

Mit formalen Gründen argumentiert wurde die Vertagung eines FPÖ-Antrags zur Novellierung des Staatsbürgerschaftsgesetzes (170/A), um ÖsterreicherInnen, die sich dem sogenannten Islamischen Staat anschließen, die Staatsbürgerschaft entziehen zu können – auch wenn sie dadurch staatenlos würden. Weil Österreich an EU- sowie UN-Abkommen zur Verminderung der Staatenlosigkeit gebunden ist, appellierte Hannes Amesbauer (FPÖ) zudem an deren Kündigung. Weil der IS-Terror nach wie vor die größte Bedrohung für die Sicherheit in Österreich darstelle, wäre in diesen Fällen die Staatenlosigkeit in Kauf zu nehmen, meinte er. Explizit abgelehnt wird der Vorstoß von SPÖ und NEOS, wie Reinhold Einwallner (SPÖ) und Stephanie Krisper (NEOS) zum Ausdruck brachten. Manfred Hofinger (ÖVP) sieht aufgrund der bestehenden Rechtslage keine Notwendigkeit dafür gegeben. Georg Bürstmayr (Grüne) meinte, da es sich um die Kündigung eines völkerrechtlichen Abkommens handle, müsste die Materie eigentlich im Verfassungsausschuss behandelt werden.

Doppelstaatsbürgerschaft in Zusammenhang mit Brexit

Vertagt hat der Innenausschuss auch einen Gesetzesantrag der SPÖ (290/A ), der im Zusammenhang mit dem Brexit steht. Demnach sollen ÖsterreicherInnen, die mit einem britischen Staatsbürger bzw. einer britischen Staatsbürgerin im gemeinsamen Haushalt leben und sich einmal in Österreich und einmal in Großbritannien aufhalten, bei Annahme der britischen Staatsbürgerschaft ihren österreichischen Pass nicht abgeben müssen, wenn das Nachteile für sie mit sich bringen würde. Ein ähnliches Ansinnen hätte es schon in der letzten Gesetzgebungsperiode gegeben, erinnerte Reinhold Einwallner (SPÖ). Nun gelte es zu überlegen, wie man dieser Gruppe an Menschen helfen könne, die nun auf einmal zu Drittstaatsangehörigen werden, meinte Nurten Yilmaz (ebenfalls SPÖ). Auch NEOS-Mandatarin Stephanie Krisper würde dies als Schritt in die richtige Richtung sehen, da sich ihr Klub generell für die Liberalisierung bei der Doppelstaatsbürgerschaft stark macht. Hannes Amesbauer (FPÖ) meinte vielmehr, das österreichische Staatsbürgerschaftsrecht sei aus gutem Grund restriktiv. Laut ÖVP-Abgeordnetem Wolfgang Gerstl würden die Vereinbarungen mit dem Vereinigten Königreich in Hinblick auf die Übergangsbestimmungen in die richtige Richtung gehen. Für Georg Bürstmayr (Grüne) hat der Gesetzesantrag mehrere legistische Mängel, er signalisierte aber grundsätzliche Gesprächsbereitschaft.

Abschiebungen während offener Rechtsmittelfristen

Für ein Abschiebeverbot von Flüchtlingen vor Ablauf der Revisionsfrist bzw. vor Entscheidung der Höchstgerichte über einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsmittels setzen sich die NEOS ein (352/A(E) ). In den letzten Jahren seien während offener Rechtsmittelfristen vermehrt Außerlandesbringungen durchgeführt worden, kritisierte Antragstellerin Stephanie Krisper. Früher sei es üblich gewesen, während der Rechtsmittelfrist keine Abschiebungen durchzuführen, meinte sie. Die Vertagung dieses Antrags argumentierten ÖVP und Grüne mit dem Verweis auf laufende Gespräche zwischen dem Innenministerium und den Höchstgerichten.

Parlament soll Budget des BVT kontrollieren können

Ein weiteres Anliegen ist den NEOS ein Informations- und Mitwirkungsrecht des Parlaments, was das Budget des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) betrifft (552/A(E)), welches allerdings ebenso vertagt wurde. Im Zuge des laufenden Reformprozesses zur strukturellen, organisatorischen und personellen Neuausrichtung des BVT soll demnach auch dieser Aspekt berücksichtigt werden, fordert Stephanie Krisper und weist darauf hin, dass die budgetäre Ausstattung des BVT derzeit unklar und im Budget nicht ausgewiesen ist. Das sei ein unbefriedigender Zustand, meinte sie.

Auf die BVT-Reform verwies auch Innenminister Karl Nehammer. Diese sei im Gange, befinde sich allerdings noch nicht in der Projektphase wo ein solches Ansinnen realisiert werden könnte, sagte er. Internationale Vergleiche sollen dann jedenfalls angestellt werden. Grundsätzlich sei er bemüht, dem ständigen Unterausschuss des Innenausschusses Informationen anzubieten und im Parlament möglichst große Transparenz walten zu lassen. Trotzdem sei dies weiterhin eine Herausforderung, damit der Nachrichtendienst geheim arbeiten kann, so Nehammer.

Initiativen zum Thema Zivildienst werden Sozialausschuss zugewiesen

Zwei vorliegende Anträge zu den Möglichkeiten der Anrechnung sowie der Besoldung von ZivildienerInnen sollen im Sozialausschuss weiter beraten werden. Jener der NEOS hat zum Ziel, absolvierte Programme eines Freiwilligendienstes im Ausland mit einer Mindestdauer von 10 Monaten als Zivildienstersatz anrechnen zu können (248/A). Die SPÖ macht sich angesichts des sogenannten „Zivi-Pay-Gap“ für eine besoldungsrechtliche Gleichstellung der freiwilligen und unfreiwillig verlängerten ZivildienerInnen stark (447/A(E)). (Fortsetzung Innenausschuss) gs/fan

———————————————————————

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS. www.ots.at
(C) Copyright APA-OTS Originaltext-Service GmbH und der jeweilige Aussender. Pressedienst der Parlamentsdirektion – Parlamentskorrespondenz

Hinterlasse eine Antwort

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.