Diskriminierender Artikel über Benotung von Flüchtlingskindern | Brandaktuell - Nachrichten aus allen Bereichen

Diskriminierender Artikel über Benotung von Flüchtlingskindern

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Wien (OTS) – Nach Meinung des Senats 3 des Presserats verstößt der Artikel „Lehrer müssen Asylanten-Kindern gute Noten geben“, in der Ausgabe 4/20 der Zeitschrift „Die ganze Woche“, mehrfach gegen den Ehrenkodex für die österreichische Presse.

Im oben genannten Artikel wird über eine nicht namentlich genannte Neue Mittelschule in Kärnten berichtet. Die Autorin zitiert mehrere Lehrerinnen dieser Schule, wobei diese durchwegs anonym bleiben und sich allesamt äußerst kritisch zu den Vorgaben bei der Benotung von Flüchtlingskindern äußern. Der wesentliche Vorwurf lautet, dass auf Anweisung des Direktors Flüchtlingskindern Einser und Zweier geschenkt werden, weil sich diese Kinder nicht integrieren können und der Direktor sich ein Versagen nicht eingestehen wolle, während heimische Kinder für gute Noten büffeln müssen.

Der Pressesprecher des Kärntner Landeshauptmanns wandte sich an den Presserat und kritisierte den Artikel als falsch und diskriminierend.

Die Medieninhaberin gab gegenüber dem Presserat keine Stellungnahme ab und nahm am Verfahren nicht teil. Sie stellte daher die Kritik am Artikel auch nicht in Abrede.

Auch der Senat hegte gravierende Zweifel an der Korrektheit der im Artikel angeführten anonymen Zitate der Lehrerinnen. Dabei galt es zu berücksichtigen, dass der Artikel lediglich auf einige wenige Neue Mittelschulen in Kärnten zutreffen könnte: In einem Zitat heißt es nämlich, dass die Schule mehr als 130 Kinder habe und fast ein Viertel davon aus dem Iran, Irak oder Afrika stamme. Trotzdem war es offenbar nicht möglich, die Behauptungen im Artikel auch nur ansatzweise zu verifizieren.

Für die unkorrekte Herangehensweise der Journalistin spricht überdies, dass zwei im Artikel namentlich angeführte Experten in ihren Stellungnahmen gegenüber dem Senat hervorgehoben haben, dass ihre Zitate falsch wiedergegeben worden seien. Der Senat bewertete die Angaben dieser beiden Experten als glaubwürdig.

Der Senat betonte zwar, dass es zu den Aufgaben von Journalisten zählt, über Missstände im Schulwesen zu berichten bzw. diese aufzudecken. Dabei muss jedoch gewissenhaft recherchiert und die gewonnen Informationen im Artikel korrekt dargestellt werden. Nach Meinung des Senats beachtete die Journalistin diese Vorgaben im konkreten Fall nicht und verstieß daher gegen Punkt 2.1 des Ehrenkodex.

Darüber hinaus erkannte der Senat in dem Artikel aber auch einen Verstoß gegen Punkt 7 des Ehrenkodex (Schutz vor Pauschalverunglimpfung und Diskriminierung). Der Senat sieht in den falschen Zitaten der beiden namentlich genannten Personen und in den fragwürdigen Zitaten der Lehrerinnen einen Beleg dafür, dass es der Journalistin anscheinend darum gegangen ist, Schüler mit Migrationshintergrund und Sprachdefiziten in ein schlechtes Licht zu rücken und zu diskriminieren.

Schließlich weist der Senat auch noch darauf hin, dass sich die Journalistin beim Telefonat mit einem der Experten als „Bekannte einer Mutter“ ausgab. Sie täuschte demnach eine falsche Identität bewusst vor. Der Senat stufte dieses Verhalten als irreführend iSd. Punkt 8 des Ehrenkodex ein; ein besonderes öffentliches Interesse für eine verdeckte Recherche lag nicht vor.

Der Senat fordert die Medieninhaberin von „Die Ganze Woche“ auf, die Entscheidung freiwillig zu veröffentlichen oder darüber zu berichten.

SELBSTÄNDIGES VERFAHREN AUFGRUND EINER MITTEILUNG EINES LESERS

Der Presserat ist ein Verein, der sich für verantwortungsvollen Journalismus einsetzt und dem die wichtigsten Journalisten- und Verlegerverbände Österreichs angehören. Die Mitglieder der Senate des Presserats sind weisungsfrei und unabhängig.

Im vorliegenden Fall führte der Senat 3 des Presserats aufgrund einer Mitteilung eines Lesers ein Verfahren durch (selbständiges Verfahren aufgrund einer Mitteilung). In diesem Verfahren äußert der Senat seine Meinung, ob eine Veröffentlichung den Grundsätzen der Medienethik entspricht. Die Medieninhaberin der Wochenzeitschrift „Die ganze Woche“ hat von der Möglichkeit, am Verfahren teilzunehmen, keinen Gebrauch gemacht.

Die Medieninhaberin der Wochenzeitschrift „Die ganze Woche“ hat die Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats bisher nicht anerkannt.

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