TIROLER TAGESZEITUNG: Leitartikel vom 24. April 2019 von Michael Sprenger - Von alledem gewusst | Brandaktuell - Nachrichten aus allen Bereichen

TIROLER TAGESZEITUNG: Leitartikel vom 24. April 2019 von Michael Sprenger – Von alledem gewusst

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Innsbruck (OTS) – Das Ratten-Machwerk war ein weiterer Beweis, dass der FPÖ der Wandel zu einer tragenden Regierungspartei nicht gelingen mag. Noch gibt sich der Kanzler ob des blauen Rückziehers zufrieden. Bis zum nächsten Einzelfall vorerst.
Nicht alles, was sich reimt, ist ein Gedicht. Und ja, mit Verweis auf die kürzer werdenden Abstände zwischen den häufiger werdenden Einzelfällen lässt sich über die Verfasstheit der Regierungspartei FPÖ sagen: Nicht alles, was poliert wurde, glänzt. Das Alte schimmert durch, lässt die Politur verschwinden.
Der Braunauer FPÖ-Vizebürgermeister Christian Schilcher hat, bevor er am Dienstag seinen Rücktritt erklären musste, ein von Menschenverachtung triefendes Machwerk in Reimen verfasst.
So musste einmal mehr FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache ausrücken, um über den Mist zu schwadronieren, der einmal mehr von seinen Parteifreunden verfasst worden ist. Er verkündete Schilchers Abgang, „um Schaden von der Partei abzuwenden“. Kanzler Sebastian Kurz lobt postwendend das Verhalten seines Vizekanzlers und Koalitionspartners, weil der ÖVP-Chef die rechtskonservative Regierung fortführen will. Der Bundeskanzler und ÖVP-Obmann ist erleichtert. Wer will sich schon knapp einen Monat vor der wichtigen Europawahl einer innerkoalitionären Machtprobe hingeben. Strache ist zufrieden, weil er weiter Vizekanzler betitelt wird. Nur: Der Glaube an den Wandel der Freiheitlichen hin zu einer halbwegs seriösen und weithin anerkannten Regierungspartei wird sich nicht mehr einstellen.
Dafür ist zu viel passiert. Die blaue Hetzschrift in Hitlers Geburtsstadt ist nur ein weiterer Beweis, dass die FPÖ an ihrem ausländerfeindlichen, reaktionären und nationalistischen Stil festhält, den sie in ihren langen Oppositionsjahren zum Programm erklärt hatte.
In der ÖVP kann sich keiner überrascht zeigen. Schließlich haben sie von alledem gewusst. Doch die Partei des neuen Stils beruhigt sich vorerst damit, dass sie weiterhin leicht steigende Umfragewerte verzeichnen kann. Das Regierungsprogramm wird rasch abgearbeitet. Dieses dient der Koalition zudem als Handlungsanweisung, an die sich beide Partner halten. Wäre da nicht das sich verdunkelnde Bild Österreichs im Ausland. Hier die Burschenschafter, dort die Identitären, dazwischen Platz für Einzelfälle. Noch lobt Kurz Strache. Doch dem Kopf des modernen Konservativismus, wie er in Teilen Europas gesehen wird, kann dies alles nicht egal sein. Sobald seine Strategen ein weiter anwachsendes Rumoren in der bürgerlichen Wählerschaft ausmachen, wird das Ende dieser Regierung nicht mehr weit sein. Aber vorerst sind einmal Europawahlen.

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