Stainer-Hämmerle: „Gläserne Decke“ für Frauen ist immer noch sehr dick
Wien (PK) – Die Emanzipation von Frauen könne nur gelingen, wenn auch Männer sich emanzipieren. Wenn Männer die Erwartungen, die an sie gestellt werden, etwa Familienernährer zu sein, ebenfalls als diskriminierend begreifen und sich von ihnen trennen wollen. Das betonte die Politikwissenschaftlerin Kathrin Stainer-Hämmerle bei der Festveranstaltung im Parlament zum 100. Jahrestag der ersten Sitzung der Konstituierenden Nationalversammlung. Seit dem 4. März 1919, als die ersten acht Frauen in das Parlament Einzug hielten, habe sich einiges verändert, hielt Stainer-Hämmerle fest. Von einer Gleichstellung der Geschlechter sei man in Österreich aber nach wie vor weit entfernt. „Die Gläserne Decke ist in vielen Fällen immer noch sehr dick.“ Für Dritte Nationalratspräsidentin Annelise Kitzmüller steht fest, Frauen sind aus der österreichischen Politik nicht mehr wegzudenken.
Diskriminierungen von Frauen seien heute subtiler als damals, erklärte Stainer-Hämmerle in ihrer Keynote. Rechtlich sei die Gleichstellung, für die jahrzehntelang gekämpft wurde, inzwischen zwar erreicht, im „realen Leben“ sehe es aber anders aus. Das zeige unter anderem die geringe Zahl von weiblichen Vorständen in börsennotierten Unternehmen und von Bürgermeisterinnen in Österreich. Auch seien hierzulande die Lohnverluste von Frauen zehn Jahre nach der Geburt eines Kindes laut einer internationalen Studie mit 51% deutlich höher als in den allermeisten anderen Ländern. Und gut dotierte Jobs im Bereich der öffentlichen Hand würden zwar aufgeteilt, so die Politikwissenschaftlerin, „aber nach Partei und nicht nach Geschlecht“. Kritisch sieht die Expertin auch die hohe Teilzeitbeschäftigung von Frauen.
Dass Männer nach wie vor häufiger bezahlter Arbeit nachgehen als Frauen, die weitaus öfter unbezahlte Arbeit, also etwa Kindererziehung, Haushalt und Pflege, übernehmen, führt Stainer-Hämmerle nicht zuletzt auf diskriminierende Rollenbilder zurück, die nach wie vor tief verwurzelt seien. Es werde noch ein langer und zäher Kampf, bis sich diese Bilder in den Köpfen verändert haben, glaubt sie. Allerdings sieht sie auch positive Entwicklungen, etwa was das Bekenntnis von Vizekanzler Heinz-Christian Strache zum Papamonat betrifft.
Gleichstellung in allen Lebensbereichen müsse jedenfalls das erklärte Ziel bleiben, bekräftigte Stainer-Hämmerle, auch wenn es verschiedene politische Konzepte zur Erreichung dieses Ziels gibt. Im Sinne internationaler Solidarität, sprach sie sich außerdem dafür aus, Verfolgung aufgrund des Geschlechts als Flucht- und Asylgrund in die Genfer Flüchtlingskonvention aufzunehmen. Geflüchtete Frauen aus dem arabischen Raum würden trotz ihres Mutes kaum Unterstützung in der Öffentlichkeit finden, bedauerte sie.
Kitzmüller: Frauen sind nicht mehr aus Politik in Österreich wegzudenken
Die Schlussworte zur Veranstaltung blieben der zweiten Frau im Präsidium des Nationalrats, Dritter Nationalratspräsidentin Anneliese Kitzmüller, vorbehalten. Sie hob hervor, dass vor 100 Jahren wichtige Weichen sowohl für Frauen als auch für Männer gestellt wurden. Frauen hätten endlich Rechte erhalten, auch wenn, was das Erreichte betrifft, nach wie vor „Platz nach oben ist“.
Seit die ersten weiblichen Mandatarinnen 1919 in das Parlament einzogen, seien Frauen jedenfalls nicht mehr aus der österreichischen Politik wegzudenken, betonte Kitzmüller. Die Nationalrätinnen, Bundesrätinnen und Gemeinderätinnen seien wesentliche Stützen der Gesellschaft und auch Vorbild für junge Mädchen und Frauen. Es sei wichtig, Mädchen zu stärken und ihnen Mut zu machen, ihre Meinung kundzutun und ihren Weg zu gehen, wofür immer sie sich auch entscheiden. Kitzmüller beklagte, dass Frauen oft kritischer gegenüber Frauen sind als gegenüber Männern, hier brauche es ein Umdenken. Es gelte, gemeinsam an einem Strang zu ziehen und gemeinsam für die Frauen einzutreten. (Schluss Veranstaltung) gs
HINWEIS: Fotos von dieser Veranstaltung finden Sie auf der Website des Parlaments unter www.parlament.gv.at/SERV/FOTO/ARCHIV.
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