Tiroler Tageszeitung, Ausgabe vom 14. Februar 2019; Leitartikel von Wolfgang Sablatnig: "Halb Symbol, halb Versprechen" | Brandaktuell - Nachrichten aus allen Bereichen

Tiroler Tageszeitung, Ausgabe vom 14. Februar 2019; Leitartikel von Wolfgang Sablatnig: „Halb Symbol, halb Versprechen“

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Innsbruck (OTS) – Das türkis-blaue Gewaltschutzpaket bietet neben einer Verschärfung der Strafen auch Perspektiven für Prävention, Opferschutz und Täterarbeit. An deren Umsetzung wird die Wirksamkeit des Pakets zu messen sein.

Es überrascht nicht, dass die Bundesregierung auf die Kritik an der Verschärfung der Strafen für Sexual- und Gewaltdelikte nicht eingegangen ist. Zum einen passen strengere Strafen in das Weltbild einer rechtskonservativen Koalition. Zum anderen haben Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache wie so oft genau das getan, was sie angekündigt haben: Kurz hat bereits im Wahlkampf 2017 gefordert, dass Gewalt gegen Frauen und Kinder härter bestraft werden müsse. Auch im Regierungsprogramm steht die „weitere Strafverschärfung bei Gewalt-und Sexualdelikten“ an erster Stelle der Pläne für das Strafrecht. Vergewaltiger und Gewalttäter werden also häufiger und länger im Gefängnis sitzen. Wobei: Die zur Gänze bedingt nachgesehenen Strafen nach einer Vergewaltigung waren schon bisher die absolute Ausnahme. Zumindest als Symbol taugen die Anhebung der Mindeststrafen und die Ergänzung der Erschwerungsgründe aber.
Ob auch nur eine Vergewaltigung verhindert wird, bleibt aber fraglich. Ebenso wie offen bleibt, ob es künftig mehr Frauen gibt, die eine Vergewaltigung anzeigen – und ob es nach einer Anzeige mehr Verurteilungen gibt: Auf mehr als 8500 Anzeigen kamen in den vergangenen zehn Jahren nur 979 Verurteilungen.
Mit diesen Fragen landen wir bei Bewusstseinsbildung, Opferschutz und Täterarbeit. Und tatsächlich finden sich in dem Paket zahlreiche Punkte, vom Aufklärungsunterricht über die verpflichtende Beratung von Gefährdern nach Wegweisungen und die bessere Sicherung von Beweisen nach Misshandlungen bis hin zur Möglichkeit für Missbrauchsopfer, ein neues Leben auch mit einer neuen Sozialversicherungsnummer beginnen zu können. Bei manchen Punkten stellt sich auch die Frage, warum das bisher nicht möglich war, wenn etwa Betroffene sich künftig auch über Bundesländergrenzen hinweg in ein Frauenhaus flüchten können.
Während aber die Verschärfung der Strafen recht einfach in ein Gesetz zu packen ist, sind die Verbesserungen beim Opferschutz und der Täterarbeit viel komplizierter. Viele Grenzen sind zu überwinden, zwischen Behörden und in den Köpfen. Viele Stellen müssen zusammenspielen, um ein wirksames Netzwerk zu knüpfen. Mehr als Überschriften bietet die Regierung aber noch nicht.
Zum Erfolg wird das türkis-blaue Paket aber nur, wenn neben den Symbolen im Strafrecht auch die Versprechen zum Opferschutz umgesetzt werden.

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