UTP: Handelsverband warnt vor Schnellschuss-Gesetzgebung bei geplanter EU-Richtlinie über unlautere Handelspraktiken | Brandaktuell - Nachrichten aus allen Bereichen

UTP: Handelsverband warnt vor Schnellschuss-Gesetzgebung bei geplanter EU-Richtlinie über unlautere Handelspraktiken

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Wien (OTS) – Diese Woche steht der Bericht des europäischen Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung (AGRI-Ausschuss) zur geplanten EU-Richtlinie über unlautere Handelspraktiken in den Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen in der Lebensmittelversorgungskette (UTP-Richtlinie) auf der Agenda des Plenums des Europäischen Parlaments. Ursprünglich war der Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission vom April 2018 ausgewogen, sah Verbote einiger ausgewählter, klar definierter Handelspraktiken vor und hatte einen zielgerichteten Anwendungsbereich zum Schutz von Landwirten sowie kleiner und mittelständischer Lebensmittellieferanten – was der heimische Handel ausdrücklich begrüßt.

Der nun vorliegende Bericht des AGRI-Ausschusses ist hingegen vollkommen überschießend: So sollen etwa Ausschreibungen von Handelsunternehmen verboten werden, Händler künftig nur noch eingeschränkt über ihr Sortiment entscheiden können und bewährte genossenschaftsähnliche Geschäftsmodelle zerschlagen werden. Überdies sollen Händler keine Tierschutz- oder Umweltschutzvorgaben mehr stellen dürfen, die über das gesetzliche Mindestmaß hinausgehen.

„Sollten sich die Positionen des AGRI-Ausschusses im Plenum des Europäischen Parlaments und in weiterer Folge in den Trilogverhandlungen mit dem EU-Rat durchsetzen, wäre dies ein massiver Rückschritt für leitende Prinzipien unserer Marktwirtschaft, der Vertragsfreiheit und der Privatautonomie. Eine derart einseitige Benachteiligung einer ganzen Branche wäre schädlich für den gesamten Europäischen Wirtschaftsraum und würde auch der Erfüllung der Konsumentenwünsche diametral entgegenstehen“, so Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbandes.

Insgesamt sollen laut dem Bericht des AGRI-Ausschusses nahezu fünfzig (!) Handelspraktiken kategorisch verboten werden, während der Kommissionsvorschlag nur vier per se-Verbote vorgesehen hat. Die Folgen mancher dieser Verbote wären derart weitreichend, sodass die UTP-Richtlinie ihr Ziel komplett verfehlen und vielmehr eine Verschlechterung der Geschäftsbeziehungen in der Lebensmittelversorgungskette vermuten lassen würde.

Verbot von elektronischen Auftragsaktionen

So soll es Abnehmern laut Änderungspunkt 55 künftig verboten sein, elektronische Auftragsauktionen – also Ausschreibungen, bei denen Lieferanten Angebote legen – durchzuführen. „Ausschreibungen sind in vielen Branchen tägliche Praxis und führen zu niedrigeren Verbraucherpreisen. Es ist in keiner Weise ersichtlich, warum Ausschreibungen welcher Art auch immer, im Lebensmittelhandel unzulässig sein sollen. Schließlich ist kein Lieferant auch nur ansatzweise gezwungen, an einer Ausschreibung teilzunehmen“, erläutert Will.

Begründungspflicht bei Auslistungen

Nach Änderungspunkt 80 sollen Abnehmer künftig keine Auslistungen eines ihrer Sortimentsprodukte ohne vernünftige Begründung, schriftliche Erklärung und tatsächliche geschäftliche Gründe mehr durchführen dürfen. Die Sortimentsgestaltung ist jedoch die Kerngeschäftstätigkeit eines jeden Händlers, schließlich trägt auch der Händler das wirtschaftliche Risiko, wenn ein Produkt schlechte Verkaufszahlen erzielt.

Man kann von einem Händler nicht verlangen, dass er begründen muss, warum er nicht mehr bei einem bestimmten Lieferanten einkauft. Ein Händler kann ja ebensowenig von einem Konsumenten eine vernünftige, schriftliche Begründung verlangen, warum dieser nicht mehr bei einem bestimmten Händler einkaufen möchte.

Zerschlagung genossenschaftlicher Geschäftsmodelle

Zudem könnten künftig genossenschaftsähnliche Geschäftsmodelle in ihrer Existenz bedroht werden. Nach Änderungspunkt 56 sollen künftig Zusammenschlüsse von Einzel- und Großhandel zu Einkaufsgemeinschaften verboten werden. Jahrzehntelang etablierte Geschäftsmodelle – bestehend aus selbständigen Kaufleuten, die einen gemeinsamen Großhandelseinkauf und einen gemeinsamen Markenauftritt haben – würden verunmöglicht werden.

Die Folge wäre, dass multinationale Lebensmittelkonzerne nochmals in ihrer ohnehin schon starken Verhandlungsposition gestärkt werden, durch die gestiegenen Warenbezugskosten die Verbraucherpreise steigen und insgesamt die Nahversorgung, speziell im ländlichen Raum, gefährdet wäre.

Keine Umwelt- und Tierschutzstandards über gesetzlichem Niveau

Besonders schwer nachvollziehbar ist Änderungspunkt 65, wonach ein Abnehmer künftig keine Umwelt- und Tierschutzstandards erlassen darf, die über die bestehenden gesetzlichen Vorschriften hinausgehen. Dies würde Vorgaben, wie etwa Gentechnikfreiheit, Maßnahmen zur Pestizidreduktion oder die Verwendung von Palmöl, verunmöglichen. Leidtragende wären neben den Konsumenten vor allem die Umwelt.

„Die zahlreichen Änderungen im AGRI-Ausschuss entbehren jeglicher Folgenabschätzung und greifen massiv in die Vertragsfreiheit zulasten des Handels ein. Zudem ist die rechtliche Kompetenzgrundlage der UTP-Richtlinie in dieser Form mehr als fraglich. Es ist daher dringend erforderlich, dass sich das Plenum des Europäischen Parlaments inhaltlich mit dem Bericht des AGRI-Ausschusses auseinandersetzt und der juristische Dienst des EU-Rates befasst wird“, appelliert Will.

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