Veröffentlichung des Bildes eines Mordopfers verstößt gegen Ehrenkodex
Wien (OTS) – Der Artikel „Mutter an Geburtstag erschlagen – Sohn in Haft“, erschienen am 10.04.2018 auf „krone.at“, verstößt nach Auffassung des Senats 1 des Presserats gegen den Ehrenkodex für die österreichische Presse.
Im Artikel wird davon berichtet, dass ein 25-jähriger Student unter dringendem Tatverdacht stehe, seine 65 Jahre alte Mutter getötet zu haben. Die Polizei habe den mutmaßlichen Täter festnehmen können. Dem Artikel ist ein sechs Jahre altes Foto des Mordopfers mit ihrem Sohn beigefügt. Dabei ist das Gesicht des Opfers nicht verpixelt oder auf eine andere Art unkenntlich gemacht.
Die Medieninhaberin von „krone.at“ machte von der Möglichkeit, eine Stellungnahme abzugeben, keinen Gebrauch.
Der Senat stellte zunächst fest, dass Berichte über Mordfälle und die Ermittlungen dazu grundsätzlich für die Öffentlichkeit von Interesse sind. Die Kriminalberichterstattung dient in gewisser Weise auch der Abschreckung potentieller anderer Täter und der Prävention. Aus dem Informationsinteresse an den Ermittlungen in einem konkreten Mordfall ergibt sich jedoch nicht, dass der Persönlichkeitsschutz eines Opfers missachtet werden darf, so der Senat weiter. Unverpixelte Fotos eines Mordopfers sind nach Meinung des Senats grundsätzlich geeignet, in die Persönlichkeitssphäre der ermordeten Person einzugreifen. Nach allgemeiner Auffassung der Senate des Presserats ist die Persönlichkeitssphäre eines Menschen nämlich auch über dessen Tod hinaus zu wahren. Das Mordopfer war keine in der Öffentlichkeit stehende Person. Deshalb hätte das Medium laut Senat auf die Anonymitätsinteressen des Opfers entsprechend Rücksicht nehmen müssen. Die Veröffentlichung war nach Ansicht des Senats nicht erforderlich, um dem Informationsbedürfnis der Allgemeinheit Genüge zu tun; sie beeinträchtigte die Trauerarbeit der Hinterbliebenen und verstößt somit gegen Punkt 5 des Ehrenkodex (Persönlichkeitsschutz).
Der Senat forderte die „Krone Multimedia GmbH & Co KG“ auf, den Verstoß gegen den Ehrenkodex freiwillig auf „krone.at“ bekannt zu geben.
SELBSTÄNDIGES VERFAHREN AUFGRUND EINER MITTEILUNG EINES LESERS
Der Presserat ist ein Verein, der sich für verantwortungsvollen Journalismus einsetzt und dem die wichtigsten Journalisten- und Verlegerverbände Österreichs angehören. Die Mitglieder der Senate des Presserats sind weisungsfrei und unabhängig. Im vorliegenden Fall führte der Senat 1 des Presserats aufgrund einer Mitteilung eines Lesers ein Verfahren durch (selbständiges Verfahren aufgrund einer Mitteilung). In diesem Verfahren äußert der Senat seine Meinung, ob eine Veröffentlichung den Grundsätzen der Medienethik entspricht.
Die Medieninhaberin von „krone.at“ hat von der Möglichkeit, an dem Verfahren teilzunehmen, keinen Gebrauch gemacht. Die Medieninhaberin von „krone.at“ hat die Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats bisher nicht anerkannt.
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