Ermittlungsmöglichkeiten bei Online-Diensten: EU-Unterausschuss debattiert europäische Regelungen | Brandaktuell - Nachrichten aus allen Bereichen

Ermittlungsmöglichkeiten bei Online-Diensten: EU-Unterausschuss debattiert europäische Regelungen

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Wien (PK) – Die neuen Kommunikationsmittel im digitalen Zeitalter bedeuten für Justiz und Strafverfolgung bei der Ermittlung von Beweismitteln in Strafsachen auch neue Handlungsfelder. Der EU-Unterausschuss des Nationalrats beschäftigte sich heute zu Beginn der Sitzung mit zwei EU-Vorlagen zu diesem Thema. Die EU-Verordnung zur Einführung von bindenden Herausgabe- und Sicherungsanordnungen zielt auf besseren grenzüberschreitenden Zugang zu elektronischen Beweismitteln in Strafsachen ab, die von Online-Diensten in einem anderen Staat gespeichert sind oder über die diese verfügen. Außerdem sollen zur Zustellung und Ausführung dieser Anordnungen die Behörden auf Vertreter bei allen in der Union tätigen Diensteanbietern zurückgreifen können. Umgesetzt werden soll das mit einem entsprechenden Richtlinienvorschlag für die Bestellung von Vertretern dieser Dienste zu Zwecken der Beweiserhebung in Strafsachen.

Insgesamt soll mit diesen europäischen Rahmenregelungen die Rechtssicherheit für Behörden, Online-Dienste und betroffene Menschen verbessert und zugleich dafür gesorgt werden, dass Ersuchen von Strafverfolgungsbehörden weiterhin hohen Standards genügen und somit der Schutz der Grundrechte, Transparenz und Rechenschaftspflicht gewährleistet werden, so die Kommission. Das Verfahren zur Sicherung und Einholung elektronischer Beweismittel, die in einem anderen Staat gespeichert wurden bzw. über die in einem anderen Staat niedergelassene Diensteanbieter verfügen, werde dadurch auch beschleunigt. Die Maßnahmen sollen neben den derzeitigen Instrumenten zur justiziellen Zusammenarbeit bestehen, die weiterhin relevant sind, und nach Bedarf von den zuständigen Behörden eingesetzt werden können.

E-Evidence: Moser hofft, während Ratsvorsitz internationale Annäherungen zu erreichen

Justizminister Josef Moser betonte, dass vom österreichischen Ratsvorsitz bis Ende des Jahres zahlreiche Dossiers behandelt werden, unter anderem auch die vorliegenden Vorschläge zur E-Evidence. Das Thema habe enorme Brisanz in Blickrichtung der US-Cloud Act, Europa wolle hier mit der E-Evidence nachziehen. Ziel der dazu vorliegenden EU-Vorschläge für die Herausgabe- und Sicherungsanordnungen sei die Bekämpfung etwa von Hasspostings und Kinderpornographie. Damit sollen Unternehmen direkt Beweismittel zur Verfügung stellen, wofür auch Vertreter namhaft gemacht werden müssten, denen die Anordnungen zugestellt werden können. Auch Sanktionen seien vorzusehen, so der Justizminister, der zugleich auf die hohe Komplexität der Materie in der internationalen Dimension mit unterschiedlichen Interessen und rechtlichen Rahmenbedingungen verwies. So finde derzeit gerade die Diskussion statt, die sich um die Fragen drehe, welche Regelungen -etwa mit den USA – im Anordnungsfall jeweils anzuwenden seien, und wer wo jeweils über deren Durchführung zu entscheiden habe, auch hinsichtlich unterschiedlicher Regelungen in Sitzstaat und Anordnungsstaat. Im November würden hier weitere Verhandlungen stattfinden. Der Minister hofft darauf, dass bis Ende des Vorsitzes weitere Annäherungen und eine allgemeine Ausrichtung erreicht werden können. Thema soll dabei auch sein, wie man etwa im Hinblick auf große Internetfirmen wie Facebook mit den USA zu Regelungen kommt. Hinsichtlich der Thematik geteilter bilateraler Abhandlungen mit Mitgliedstaaten sei hier Europa bereits in die Richtung gegangen, gesamthaft aufzutreten. Gerade beim wichtigen Thema Grundrechte und Datenschutz seien die Verhandlungen aber noch am Anfang, sagte der Justizminister. Es könne jedenfalls nicht sein, dass letztlich Unternehmer entscheiden, welche Regelungen zu berücksichtigen sind, das müsse sehr wohl eine staatliche Stelle prüfen. Insgesamt sei der Grundrechtsschutz als Kernthematik für diesen Bereich ein Riesenthema, unterstrich Moser.

Neben ÖVP-Abgeordneter Carmen Jeitler-Cincelli hatten sich zuvor auch Susanne Fürst (FPÖ), Johannes Jarolim (SPÖ) und Nikolaus Scherak (NEOS) über den konkreten Stand der Verhandlungen erkundigt und thematisierten den Grundrechtsschutz in diesem Zusammenhang.

Susanne Fürst von der FPÖ sieht hinsichtlich der Vorlagen auch immer mehr Bedarf an Zugang zu grenzüberschreitenden Ermittlungen und an einem europäischen Konzept dazu. Sie stellte auch in den Raum, ob unser hohes Rechtsschutzniveau durch amerikanische Internetriesen Gefahr laufe, online untergraben zu werden. Nikolaus Scherak äußerte seitens der NEOS massive Bedenken hinsichtlich Grundrechtsschutz, konkret hinsichtlich des Rechtsschutzprinzips der Territorialität.

Johannes Jarolim (SPÖ) sprach sich dafür aus, dass die USA im Unterschied zu bilateralen Vereinbarungen die EU als Ansprechpartner anerkennen solle. Österreich habe jetzt mit dem Ratsvorsitz die Chance, auch für die Zukunft in diese Richtung zu verhandeln. Darüber hinaus gab er zu bedenken, dass auch innerhalb Europas die Rechtskriterien unterschiedlich seien, Stichwort Harmonisierung. Aus Sicht der Terrorismusbekämpfung seien die EU-Vorlagen ein sinnvolles Anliegen, es dürfe aber nicht dazu kommen, etwa hinsichtlich des Datenschutzes unrechtstendierende Bestrebungen zu unterstützen, die einem hohen Grundrechtsverständnis nicht entsprechen. Hinsichtlich der Komplexität des Themas äußerte Jarolim den Vorschlag, dass sich eine europäische Behörde mit Schnittstellen in die Länder mit diesen Fragen auseinandersetzen könnte. Aus seiner Sicht könnte damit die Abstimmung rascher laufen, darüber hinaus Wissensaufbau stattfinden und auch die Rechtsharmonisierung weitergebracht werden.

EU-Vorschlag für Europäische Herausgabe- und Sicherungsanordnungen

Mit der Einführung der bindenden Herausgabe- und Sicherungsanordnungen für elektronische Beweismittel in Strafsachen sollen der Justiz und der Strafverfolgung in den europäischen Mitgliedstaaten Instrumente für den Umgang mit den heutigen Kommunikationsmethoden von Straftätern an die Hand gegeben werden.

Beide Anordnungen seien laut Kommissionsvorschlag gegebenenfalls von einer Justizbehörde eines Mitgliedstaats zu erlassen oder validieren. Sie können zur Sicherung und Herausgabe von Daten erlassen werden, die von einem Diensteanbieter in einem anderen Staat gespeichert wurden und als Beweismittel in strafrechtlichen Ermittlungen oder Strafverfahren erforderlich sind, wenn in einer vergleichbaren innerstaatlichen Situation im Anordnungsstaat eine ähnliche Maßnahme für dieselbe Straftat zur Verfügung steht. Beide Anordnungen können Anbietern elektronischer Kommunikationsdienste, sozialer Netzwerke oder von Online-Marktplätzen, Anbietern anderer Hosting-Dienste und Anbietern von Internetinfrastruktur, oder – wo es diese gibt – ihren Vertretern zugestellt werden, so die Erläuterungen im Verordnungsvorschlag. Die Verordnung soll sowohl für Betreiber mit Sitz in der EU, als auch für all jene, die ihre Dienste in der EU anbieten, gelten.

Anders als Überwachungsmaßnahmen oder gesetzlich festgelegte Verpflichtungen zur Vorratsdatenspeicherung, die laut Kommission nicht in dieser Verordnung vorgesehen sind, sei die Europäische Sicherungsanordnung eine Anordnung, die von einer Justizbehörde im Rahmen eines konkreten Strafverfahrens erlassen oder validiert wird, nachdem die Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit im Einzelfall geprüft wurde, wird in der Vorlage festgehalten.

Die Anordnungen zur Herausgabe von Teilnehmer- und Zugangsdaten können laut Kommissionvorschlag für jede Art von Straftat erlassen werden, während die Anordnung zur Herausgabe von Transaktions- und Inhaltsdaten nur für Straftaten, die im Anordnungsstaat mit einer Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens drei Jahren geahndet werden oder bei denen eine bestimmte Verbindung zu elektronischen Tools und Straftaten besteht, die unter die Terrorismusbekämpfungs-Richtlinie fallen, veranlasst werden können soll. In Anbetracht der unterschiedlich starken Eingriffe im Verhältnis zu den erstrebten Daten werden laut Kommission in dem Vorschlag eine Reihe von Voraussetzungen und Garantien festgelegt, etwa die Erwirkung einer Ex-ante-Validierung der Anordnungen durch eine Justizbehörde. Unter anderem werde auch ein spezifisches Verfahren für Fälle eingerichtet, in denen die Pflicht zur Bereitstellung von Daten mit einer Verpflichtung kollidiert, die aus dem Recht eines Drittstaats erwächst.

Richtlinienvorschlag für die Bestellung von Vertretern von Online-Diensteanbietern

Mit dem Richtlinienvorschlag für die Bestellung von Vertretern zu Zwecken der Beweiserhebung in Strafsachen sollen Online-Diensteanbieter darüber hinaus verpflichtet werden, zum Zweck der Zustellung einer solchen Herausgabe- oder Sicherungsanordnung einen Vertreter zu benennen. Die Mitgliedstaaten müssen dazu Regelungen und Sanktionen vorsehen, dass Betreiber, die ihre Dienste in der EU anbieten, einen solchen Vertreter benennen müssen. Gelten soll das für jene, die ihre Dienste in mehr als einem Mitgliedstaat anbieten bzw. die ihren Sitz in einem Drittstaat haben und ihre Dienste in der EU anbieten. Ausgenommen sollen Betreiber sein, die ihre Dienste nur in jenem Mitgliedstaat anbieten, in dem sie ihren Sitz haben. Darüber hinaus sieht der Vorschlag auch einen Koordinierungsmechanismus auf Grundlage zentraler Behörden vor, um ihnen zu ermöglichen, bei der Durchsetzung der Vorschriften zusammenzuarbeiten. (Fortsetzung EU-Unterausschuss) mbu

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